Bericht: Symposium ORGEL 2011 – «ohne Heulen und Zähneknirschen»

Rudolf Meyer: Welche Bedürfnisse führten zum Symposium?

Tobias Willi: Der Wunsch nach einer grundsätzlichen Diskussion über Bedeutung und Zukunft der Orgel in einer Zeit, in der das Interesse an diesem Instrument sinkt

und es dort, wo es traditionell seine größte Bedeutung hat, nämlich in den Kirchen, häufig totgeschwiegen wird; der Wunsch nach besserer Vernetzung derer, die Orgeln bauen oder spielen; Sorge um Nachwuchs. Und dies alles in einem positiven Sinn anzugehen, ohne Heulen und Zähneknirschen, sondern mit sachlicher Diskussion und mit Bezug zur Praxis und zur Öffentlichkeit: die Orgel nicht zuletzt auch in der Stadt Zürich während drei Tagen sichtbar und erlebbar zu machen für jung und alt.

Was führte über die üblichen, typischen „Kongress-Begegnungen“ hinaus?

Les absents ont toujours tort, möchte man ausrufen: die drei Tage waren intensiv, herausfordernd, reich gefüllt von früh bis spät. Die Fülle war so gross, dass vielleicht fast zuwenig Platz blieb für intensive Diskussionen und Gespräche in und neben den Veranstaltungen. Die Dringlichkeit der Kongress-Anliegen wurde nicht immer genügend wahrgenommen: um wirklich drei Tage präsent zu sein, war der Anreiz offenbar für gewisse illustre Kollegen und Kolleginnen zuwenig gross. Im ideellen Sinn können die vielen Impulse, Ideen und Situationsberichte auch als eine Form von „Begegnung“ mit Neuem betrachtet werden, die hoffentlich allen Teilnehmenden ein bisschen Aufbruchstimmung vermittelt hat und sie in ihren Alltag begleitet, damit – hoffentlich – in vielen Gemeinden und Konzertreihen weiter geforscht, ausprobiert und Neues gewagt wird!

Jammer oder Initiative? 

Orgel 2011 hat in vielerlei Hinsicht gezeigt, dass sich die Problematik der Orgel-Situation in unserer Zeit ohne allzuviel Lamento und Selbstkasteiung diskutieren lässt. Trotz Existenzangst wurde – durchaus lustvoll – nach kreativen Ideen gesucht. Doch Kongresse sind nur das eine: man trifft sich, entwirft Utopien, zeigt sich besorgt und solidarisch, schmiedet Pläne… Die „Spätfolgen“ sind etwas anderes: was wird aus all den Ideen – werden sie aufgegriffen, in die Realität umgesetzt? Orgel 2011 hat einen Werkzeug-Kasten zur Verfügung gestellt, aus dem sich nun jeder und jede bedienen kann (und muss!), um damit kreativ wirken zu können. Dem Kongress vorzuwerfen, er habe sein Ziel verfehlt, weil sich ja seither immer noch nichts tut für eine gesicherte Zukunft der Orgel, heisst, die Idee des Kongresses missverstanden zu haben. Es sind nicht diese drei Tage, welche die Orgelwelt verändern werden, sondern das nachhaltige Wirken der davon inspirierten Teilnehmerinnen und Teilnehmer!

Welches waren die Premieren? 

Dank Orgel 2011 gelangen Vernetzungen, die sonst selten stattfinden können: jene zwischen Orgelbau und Orgelspiel, jene zwischen den verschiedenen Hochschulen, die seither zu gewissen gemeinsam durchgeführten Impuls-Tagen geführt hat. Zudem wurde wohl zum ersten Mal hierzulande der Themenkreis „Kind und Orgel“ intensiv betrachtet, praktisch (und zwar sinnlich-fantasievoll wie beim Orgelmärchen oder technisch-entdeckerisch beim Pfeifen-Basteln) und theoretisch durch Einblicke in Kinder- und Jugendprojekte der letzten Jahre. Die Länderberichte stellen eine europäische Bestandesaufnahme der Orgel-Situation dar, die als Datensammlung wertvolle Informationen liefert und die Basis sein könnte für weiterführende Inventarisierungen. Last but not least soll auch die Zürcher Resolution als Grundsatzpapier und Diskussionsgrundlage dienen, um die Sache der Orgel weiterhin im Zentrum des Interesses halten zu können.

Wer soll wen retten: die Kirche die geistliche Chor- und Orgelmusik oder umgekehrt?

Vielleicht lässt sich die vielgeforderte Profil-Schärfung der Kirchen unter anderem da suchen, wo die Kirche auch heute und allen Unkenrufen zum Trotz durchaus noch ein sensibles, offenes und interessiertes Publikum ansprechen kann: ist nicht vielerorts feststellbar, dass qualitätsvolle, abwechslungsreiche und einfühlsam vermittelte Kirchenmusik wieder vermehrt Leute in die Kirchen lockt und sie mit spirituell und kulturell bedeutsamen Aussagen konfrontiert? Lässt sich nicht gerade durch die Zeitlosigkeit der Kirchenmusik ein Mensch der Gegenwart unmittelbar ansprechen, der sich sonst dem gesprochenen Predigt-Wort eher verschliesst? Kann die Gefühls-Erschütterung, die Musik auslösen kann, einen Menschen nicht fast eher mit existentiellen Fragen konfrontieren als mancher Text, sei er auch noch so gut gemeint? Sollte eine derartige Akzent-Verschiebung nicht bald einmal ausprobiert werden – bevor eine ganze Kirchenmusik-Kultur in Vergessenheit geraten ist?

Bericht: Eröffnung mit Jürg Kienberger

Schon die Eröffnung mit dem Kabarettisten Jürg Kienberger liess erahnen, dass wir einen gediegenen Tag erleben dürfen.

Zunächst hörten wir – o Wunder – Musik, gespielt am Flügel, und erfuhren dann etwas zum Aufwachsen des salzburgerstiergekrönten Künstlers im Engadin. Genauer in Sils Maria, wo die Eltern ein Hotel betrieben. Seine erste musikalische Aufzeichnung (der Sprengung eines Felsens zur Errichtung des Schwimmbads), die herumgereichten Souvenirs (beispielsweise eines Felsstückleins, das in einer Nusstorte in Pontresina landete) oder die ersten Musikstunden, die lieber mit Butterbroten überbrückt wurden, zeigten einen sehr speziellen Einstieg in die Musikerkarriere des Kabarettisten. Er spielt Akkordeon, Klavier und vieles mehr und ist mit einer lustigen Falsettstimme ausgestattet, welche als Höhepunkt zum ersten Lehrstück des Tages diente, nämlich wie man aus endlosem “Danke für diesen guten Morgen” doch immerhin etwas lustiges machen kann.

Bericht: Privileg und Inspirationsquelle

Als Nicht-Musikerin einen Tag mit erfahrenen Kirchenmusikern zu verbringen, war für mich als Kirchenpflegerin ein grosses Privileg und eine interessante Informations- und Inspirationsquelle. Schade nur, dass sich nicht mehr Kirchenpflegemitglieder mit dem Ressort Gottesdienst & Musik und nicht mehr Pfarrpersonen eingefunden hatten.

 

Als persönliches Fazit dieser Tagung habe ich die Erkenntnis mitgenommen, dass eine abschliessende Definition, welche Musik für den Gottesdienst geeignet ist, wohl nur soweit gelingt, als dass es der Musik möglich sein sollte, das Wort zu verstärken. Wenn Theologie ins Herz gehen soll, ist Musik ein wunderbares Medium dazu – vorausgesetzt, sie ist “echt” und wird mit Begeisterung vermittelt. Die Kombination von Musik und Predigt vermag Kirchen nicht mehr automatisch bis auf den letzten Platz zu füllen, aber wenn beide zu überzeugen vermögen und aufeinander abgestimmt sind, so sind wir auf gutem Weg. 

Bericht: Zwei Studenten am Kirchenmusiktag

Der Kirchenmusiktag 2012 war für uns eine Premiere. Wir sind beide ziemlich neu im «Geschäft» beziehungsweise auf dem Gebiet der Kirchenmusik im Kanton Zürich. Obwohl uns das Programm von den Themen her zunächst nicht speziell zusagte, nahmen wir die Gelegenheit gerne wahr, ein paar Bekanntschaften in der Zürcher und Glarner Kirchenmusik-Szene zu schliessen.

Die verschiedenen Referate, Präsentationen und Interviews erwiesen sich nachträglich als viel spannender, als wir erwartet hatten, zumal alle Referentinnen und Referenten ihre Präsentationen gut bis ausgezeichnet vortrugen.

Das eher trockene und abstrakte Thema der Hierarchie und Anarchie in den landeskirchlichen Strukturen etwa wurde von Peter Uehlinger so humorvoll und kurzweilig präsentiert, dass man ihm gerne noch länger zugehört hätte. Auch das Referat über die Musik in der Mission oder das Interview mit Susanne Würmli-Kollhopp entpuppten sich als äusserst spannend und interessant. Schade war, dass einzelne Diskussionsrunden nach den Referaten aus zeitlichen Gründen (das Programm war doch recht straff und etwas knapp getimt) abgebrochen werden mussten, oft gerade dann, als sich die ganz spannenden Fragen auftaten. Einzelne Programmpunkte wie die Comedy zu Beginn oder die Body-Percussion am Schluss sind naturgemäss Geschmacksache. Sie trugen aber auf jeden Fall zu einer willkommenen Auflockerung für Geist und Körper bei. Wir wurden ausserdem den ganzen Tag wunderbar versorgt, mit Kaffee (essenziell für [Kirchen-]Musiker), Äpfeln, Kuchen und einem reichhaltigen Mittagessen sowie einem Apéro riche.

Was sich an diesem Kirchenmusiktag gezeigt hat, und was uns sehr positiv in Erinnerung bleiben wird, ist der starke Zusammenhalt vieler Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker, der durch Veranstaltungen wie die Kirchenmusiktage oder die alle zwei Jahre stattfindenden Orgelreisen des ZKMV ermöglicht und gepflegt wird. Man merkt rasch, dass sich viele Kolleg(inn)en gut kennen und sich gegenseitig auch einmal als Registrant oder Vertretung aushelfen. Trotzdem fühlte man sich als Neuling und ganz besonders als junge Studenten sehr willkommen und herzlich empfangen.

Orgelfahrt mit Benjamin Guélat in den Jura am 22.9.12

Wir werden die bekanntesten Orgeln des Kantons Jura besuchen:

Jean-Jacques Besançon vollendete 1776 für die Stiftskirche seiner Heimatstadt Saint-Ursanne eine Orgel des klassisch-französischen Typs elsässischer Prägung mit II/26 (Bild links). Das Instrument wurde 1984 durch Hans-Jakob Füglister und 2004  durch Bertrand Cattiaux restauriert und gilt heute wieder als besonders beeindruckendes und authentisches Beispiel für die elsässische Orgelbaukunst des 18. Jahrhunderts.

 

 

 

 

 

 

In der Jesuitenkirche in PorrentruyerstellteJürgen Ahrend (Leer-Loga, Ostfriesland)1985 eine Kopie der von Gottfried Silbermann für Glauchau (Sachsen) erbauten Orgel (II/30, Bild unten). Für alle

 

 

 

 

 

 

 

TeilnehmerInnen, die sich „aus dem Rucksack“ verpflegen wollen und das Studium weiterer Orgeln dem Besuch eines Restaurants vorziehen, besteht außerdem die Gelegenheit, die Orgeln der kath. Kirche St. Pierre in Porrentruy kennen zu lernen (Chororgel Metzler 1982, II/11; Hauptorgel Metzler 1984 in Anlehnung an François Callinet 1813, II/29).

Für die Vorstellung der Orgeln konnte Benjamin Guélat gewonnen werden, der im Jura aufge-wachsen ist; außerdem werden die TeilnehmerInnen Gelegenheit haben, die wertvollen Instru-mente selbst zu spielen.

 

Zeitplan:

08.34 Abfahrt Zürich HB

10.39 Ankunft St-Ursanne Spaziergang (ca. 15 Min.) zur Kirche
11.00 – 12.15 Besuch der Orgel der collégiale de St.-Ursanne (J. Besançon 1776)
12.33 Abfahrt (Bus) in St-Ursanne, poste
12.52 Ankunft Porrentruy

13.00 fakultativ: Besuch der Orgeln der église St-Pierre
oder Mittagessen im Restaurant bzw. individuelle Stadtbesichtigung

14.30 – 15.45 Besuch der Orgel der église des Jésuites (J. Ahrend 1985)
16.07 Abfahrt Porrentruy

18.26 Ankunft Zürich HB

Benjamin Guélat wurde 1978 in Bure (Jura) geboren. Er stu-dierte bei Guy Bovet, Rudolf Lutz und Martin Sander in Basel, wo er Lehr-, Konzert- und Solistendiplom sowie einen Master für Im-provisation erwarb. Zweimal wurde ihm der Hans-Balmer-Preis verliehen. Neben seiner Tätigkeit als Organist der katholischen Kirchgemeinde Maria Krönung in Zürich-Witikon tritt er als Solist oder Begleiter regelmässig in der Schweiz und im Ausland auf.

Kosten für die Orgelbesichtigungen:
ZKMV-Mitglieder Fr. 30,-
Nichtmitglieder Fr. 50,- 

Zugbillette:

Bitte individuell lösen.
Zürich HB – Porrentruy (via Basel / Delemont) retour
2. Klasse, Halbtax: Fr. 49,- 

Anmeldung: an Matthias WamserQuellenstrasse 22, 4310 Rheinfelden

061 – 831 1046; matthias.wamser@zkmv.ch

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